Matthias Köhler im Interview

Katja Schulz: Du hast Dich schon mit 21 selbständig in einer schwierigen Branche gemacht. Wie kam es dazu?

Matthias Köhler: Zu diesem Zeitpunkt habe ich mich ja schon mehrere Jahre beim Fernsehen getummelt. Irgendwann habe ich erkannt, dass ich am erfolgreichsten arbeiten kann, wenn ich den Auftraggebern mit eigener Technik komplette Filme mache und alle Arbeiten selbst erledige.

KS: Die Ursprünge lagen also noch früher?

MK: Genau. Ich war wohl etwa 12 Jahre alt, als mein Vater mich einmal im Jahr zu einer Film-Matinee eines großen deutschen Unternehmens mitnahm, von dem er einige wenige Aktien besaß. Da konnten die Aktionäre im Saal 1 des Berliner ICC richtig tolle 35mm-Filme über Forschung, Entwicklung und Produktion in diesem Unternehmen sehen. Schon damals stand für mich fest: Solche Filme möchte ich auch mal machen. Ich wusste zwar noch nicht, wie ich das anstellen sollte, aber das Interesse war geweckt. Außerdem habe ich immer sehr gerne die „Sendung mit der Maus” gesehen, wo Kindern auf wunderbare Weise die Welt erklärt wird.

KS: Und wie liefen dann die ersten Schritte?

MK: Mit 15 habe ich Kontakt zum damaligen SFB aufgenommen, konkret zur Berliner Abendschau, unserer regionalen Nachrichtensendung. Zuvor hatte ich ein Jahr lang eine präzise Statistik mit Daten zu den Sendungen eines Jahres erstellt und einen Jahresrückblick über die Abendschau geschrieben. Das hat denen so gefallen, dass sie mich in den Ferien mal einen Tag einluden. Aus einem Tag in den Ferien wurde dann mal eine ganze Woche, ich konnte immer mal wieder in den gesamten Entstehungsprozeß reinschnuppern. So habe ich mehr über das Fernsehmachen gelernt als es mir sonst in jungen Jahren irgendwo möglich gewesen wäre. Dabei sind Kontakte entstanden, die bis heute andauern.

Image

KS: Wann kam denn die Eisenbahn ins Spiel?

MK: Das war 1989. Meine Eltern hatten ganz frisch Kabelfernsehen und ich sah, dass es eine Sendung auf einem kleinen Regionalsender gab, wo es um Eisenbahn, U-Bahn, S-Bahn, Busse und so weiter ging. So nahm ich Kontakt zum Macher der Sendung auf, daraus wurde eine mehrjährige intensive Zusammenarbeit. Ich begann selbst zu drehen und zu schneiden, getextet hatte ich schon vorher, außerdem habe ich die Sendung mehrere Jahre moderiert. Als dann 1993 der damalige Berliner Privatsender „IA” auf Sendung ging, war ich seit der ersten Programmwoche mit zahlreichen aktuellen Beiträgen dabei. In dieser Zeit kam auch der Entschluss, eigene Technik anzuschaffen und nicht mehr mit angemieteten Teams zu drehen. Das war eine richtige Entscheidung, denn ab 1995 kamen die ersten Aufträge aus der Eisenbahn- und Nahverkehrsbranche für fachliche Informationsfilme, und diese zeitgeschichtlichen Filme über Themen mit Politik- und Technikbezug brachten mir letztendlich den Durchbruch.

KS: Du scheinst eine gewisse Affinität zu den öffentlichen Verkehrsmitteln zu haben. Nutzt Du diese auch selbst?

MK: Na logisch. Es gibt viele gute Gründe, in Berlin und auch im Fernverkehr nicht immer nur mit dem Auto zu fahren. Öffentliche Verkehrsmittel sind herrlich bequem, man steigt einfach ein, lässt sich fahren, sieht die Stadt und die Landschaft vorbeiziehen und kommt entspannt und ohne Parkplatz-Stress am Ziel an. Nebenbei hat man sogar noch die Umwelt entlastet. Sogar zu einigen Drehterminen irgendwo in Deutschland fahre ich gerne mit dem ICE, da kann ich auch meine Technik prima unterbringen.

KS: Du hast von 1994 bis 1999 ein Studium der Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin absolviert. Warum gerade Politologie?

MK: Vor und nach dem Abitur hatte ich zunächst einige andere Ideen, was ich studieren könnte. Zum Glück habe ich mich dann aber für die Politikwissenschaft entschieden, das war goldrichtig. Als Politologe entwickelt man einen Blick für die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge. Das ist die ideale Basis, um komplexe Themen zu guten Filmen zu verarbeiten. Lustigerweise treffe ich im Berufsleben ständig Leute, die auch Politikwissenschaft am OSI studiert haben.

KS: Du hast Dein Politologie-Diplom mit 1,8 gemacht. Warum bist Du nicht Redenschreiber bei der Kanzlerin geworden?

MK: Ich schätze unsere Kanzlerin, aber ich meine, dass ich in der Filmbranche am besten aufgehoben bin. Es gibt so viele Unternehmen, Behörden und Institutionen, die für ihre Arbeit gute Informationsfilme brauchen, und ich bin in der Lage, solche Filme in bester technischer und inhaltlicher Qualität zu realisieren. Und ich genieße es durchaus, dass auch große Bundesbehörden zu meinen Auftraggebern zählen, so dass ich als filmender Politologe auch ein Stück Einblick in das politische Leben der Bundeshauptstadt habe. Man kann überall seine Nase reinstecken, hat heute einen Drehtermin auf einer Bahnbaustelle und morgen eine Veranstaltung in einem Bundesministerium, diese Mischung ist super und macht viel Spaß.

KS: Du sprichst gerade die technische Qualität an. Ist die bei Dir denn besser als bei anderen?

MK: Ganz klar „ja”. Weil ich konsequent nur allerbeste Technik einsetze. Dadurch war ich in den vergangenen Jahren nicht gezwungen, jeden technischen Formatwechsel mitzumachen. Seit 2007 produziere ich in bester HD-Qualität, gerade habe ich wieder eine neue Kamerageneration in Betrieb genommen. Aber Technik ist natürlich nicht alles, man muss auch perfekt und in allen Situationen mit ihr umgehen können. Doch das sollte an sich selbstverständlich sein, weil es nun mal in erster Linie auf die Inhalte ankommt. Insgesamt jedenfalls bevorzuge ich Kameras, mit denen ich schnell arbeiten kann, um keine wichtigen Ereignisse zu verpassen. Zum Glück sind die Geräte heute etwas kleiner als das historische Ungetüm, welches als Museumsstück in meinem Schnittstudio steht.

Image

Blickfang im Schnittstudio: Eine Bosch-Kamera aus den 80er Jahren.

KS: Welche Themen bearbeitest Du – und welche nicht? Gibt es Ausschlusskriterien?

MK: Neben den bereits erwähnten Schwerpunkten in den eisenbahn- und verkehrstechnischen Themen und den verschiedenen Politikfeldern arbeite ich mich ständig in neue Themen ein, von der Unfallverhütung bei Binnenschiffern über den demografischen Wandel bis hin zur Landwirtschaft. Es gibt aber auch Themen, die ich für mich ausschließe, so würde ich keine Filme für die Alkohol- und die Zigarettenindustrie machen, auch nichts für politisch extreme Gruppierungen. Ich kann nur dann gute Filme machen, wenn ich mich mit dem Inhalt ein Stück weit identifizieren kann. Und da steht bei mir ganz klar im Vordergrund, dass ich am liebsten Themen behandele, wo es darum geht, dass unsere Gesellschaft gute Lösungen für die anstehenden Herausforderungen findet. Oder um es noch ein wenig politischer zu machen: Ich beschäftige mich am liebsten mit Projekten, bei denen Menschen in die Lage versetzt werden, aus ihrem Leben etwas zu machen. Unsere freiheitliche Gesellschaft bietet viele Möglichkeiten und hält viele unterstützende Angebote bereit, und ich finde es super, dass so viele Menschen bei uns eine Chance erhalten. Nötigenfalls auch eine zweite oder dritte.

KS: Das hätte jetzt aber wirklich in einer Rede der Kanzlerin stehen können... Kommen wir mal zum geschäftlichen Teil: Bekommst Du Deine Aufträge eigentlich auf direktem Wege oder arbeitest Du auch mit Agenturen zusammen?

MK: Behörden müssen sich natürlich an das Vergaberecht halten, so beteilige ich mich hin und wieder an öffentlichen Ausschreibungen, hatte auch schon eigene Rahmenverträge, die ich gewonnen habe. Private Unternehmen haben es da leichter, die beauftragen mich oftmals sehr schnell und unkompliziert, manchmal sogar per Handschlag. Ich arbeite aber auch sehr gerne mit PR- und Veranstaltungsagenturen zusammen. Die stecken mitten drin in den Projekten und Themen, so dass oftmals schon klar ist, was in den Film hinein soll. So kann ich dann direkt loslegen und die wissen alle, dass sie sich auf mich verlassen können. Mit einigen Agenturen arbeite ich schon seit fast 20 Jahren zusammen.

KS: Wie gehst Du eigentlich mit dem Thema „Qualitätsmanagement” um?

MK: Zunächst mal versuche ich, in allen Phasen eines Projektes so gewissenhaft und gründlich wie möglich zu arbeiten. Dazu gehört auch, sich immer wieder zu fragen, ob eine bestimmte inhaltliche Herangehensweise die Richtige ist, und welche Risiken sich ergeben können, wenn man einen bestimmten Weg wählt. So stellt sich zum Beispiel die Frage, ob in einem Film zu einem brisanten politischen Thema auch mal ein wenig Humor erlaubt ist. Oft habe ich ja die Möglichkeit, die Wirkung meines Filmeinspielers ganz unmittelbar zu erleben, wenn ich auf der Veranstaltung, wo der Film läuft, selbst anwesend bin. Da freut es mich dann schon, wenn genau an der Stelle, wo ich damit gerechnet habe, ein Lächeln durch das Publikum geht. Und ich freue mich übrigens auch, wenn auf einem Fachkongress nach einem dreiminütigen Einführungsfilm ein Applaus kommt. Das zeigt mir dann, dass es mir gelungen ist, die Leute mitzunehmen und einzustimmen.

KS: Klingt so, als ob das alles ziemlich gut läuft. Gibt es bedeutende Zukunftspläne?

MK: Ich möchte nicht nach Hollywood, möchte keinen Oscar bekommen, sondern auch künftig meinen vielen Auftraggebern schöne Filme machen, mit denen sie ihr Unternehmen, ihre Themen, ihre Technologien oder ihr Projekt so anschaulich wie möglich ihrer jeweiligen Zielgruppe präsentieren können. Wenn ich weiterhin konsequent auf die Bedürfnisse meiner Kunden schaue, dann vermute ich, auch in Zukunft immer interessante Filme realisieren zu dürfen, was mir ausgesprochen viel Freude bereitet.

Das Interview führte die Autorin Katja Schulz.

Zurück